Über erektile Dysfunktion (ED) zu sprechen, ist für jeden Mann schwierig, insbesondere wenn man mit einem Arzt spricht. Dennoch ist es wichtig, den Schritt zu wagen, um eine ärztliche Diagnose zu erhalten und gegebenenfalls eine Behandlung zu beginnen, um ED-Symptome zu lindern und die sexuelle Gesundheit zu verbessern.
Ein einfacher Fragebogen und, falls erforderlich, eine körperliche Untersuchung sind meist alles, was ein Arzt braucht, um ED zu diagnostizieren. Und die gute Nachricht ist, dass ED gut behandelbar und in einigen Fällen sogar heilbar ist.1
ED-Behandlungsoptionen
Es gibt viele Behandlungsmöglichkeiten für ED. Diese haben jeweils spezielle Vor- und Nachteile und sind daher je nach individuellen Wünschen und medizinischen Anforderungen für den einen Patienten besser geeignet als für den anderen. Es ist daher unerlässlich, dass Ihr behandelnder Arzt mit Ihnen die Vorteile und Risiken einer ED-Behandlung bespricht.
Was ist das Ziel der ED-Behandlung?
Das Hauptziel der ED-Behandlung ist es, dem betroffenen Mann (und seiner Partnerin oder seinem Partner) ein zufriedenstellendes Sexualleben zu ermöglichen.1 Die Verbesserung der sexuellen Erfahrung kann erhebliche Vorteile haben, da die Belastung durch ED weit über eine schlechte Erektionsfähigkeit hinausgeht. Depressionen und andere psychische Erkrankungen treten durch die Belastung, die die ED mit sich bringen kann, deutlich häufiger auf. In einer Studie wurde festgestellt, dass Männer mit ED ein fast 2-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Depression haben.2 Eine ED-Behandlung kann die Symptome schrittweise beseitigen und die erektile Funktion und den Geschlechtsverkehr verbessern.1,3
Erster Schritt: Identifikation und Behandlung aller heilbaren Ursachen von ED
Zunächst sollten alle heilbaren Ursachen für ED identifiziert und behandelt werden. Zu den möglichen Ursachen gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Fettleibigkeit, die beide durch eine Veränderung des Lebensstils verbessert und in einigen Fällen sogar rückgängig gemacht werden können.1 Leider ist die langfristige Compliance bei Veränderungen des Lebensstils gering und reicht nicht aus, um die Epidemie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Fettleibigkeit einzudämmen.4 Dies sollte jedoch kein Grund sein, Änderungen des Lebensstils nicht zu empfehlen oder vorzunehmen.
Weitere Behandlungen wie Psychotherapien und Medikamente sollten nicht mit der Begründung verweigert werden, dass Lebensstiländerungen nicht durchgeführt wurde. Vielmehr sollten sie diese im Sinne eines ganzheitlichen Behandlungsansatzes unterstützen.1
Reversible Ursachen von ED
Hormonmangel
Es ist bekannt, dass ein Hormonmangel die sexuelle Funktion beeinträchtigt. Eines der häufigsten Beispiele ist der Hypogonadismus, der durch einen Mangel an Testosteron gekennzeichnet ist. Ein niedriger Testosteronspiegel ist insofern reversibel, als er durch eine Behandlung „normalisiert“ werden kann, wodurch die Symptome des Hypogonadismus, z. B. ED, beseitigt werden können.1
Ein häufiges Problem bei Hypogonadismus ist, dass er die Wirksamkeit einer Medikamentenklasse, den Phosphodiesterase-5-Hemmern (PDE-5-Hemmer), beeinträchtigen kann, die zur ersten Wahl bei der Behandlung von ED gehören. Interessanterweise verbessert die Normalisierung des Testosteronspiegels durch eine Testosteronbehandlung das Ansprechen auf PDE-5-Hemmer.1
Erfahren Sie mehr über Hypogonadismus
Arzneimittelinduzierte ED
Es gibt viele Medikamente, die mit ED in Verbindung gebracht werden. Allerdings fehlen in den meisten Fällen wissenschaftlich fundierte Belege für einen kausalen Zusammenhang. Für Ärzte ist es wichtig zu beurteilen, ob die ED durch die Grunderkrankung und nicht durch die Behandlung verursacht wird.1 Ein Beispiel dafür sind Patienten, die nach der Einnahme von Antidepressiva wie selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRIs) über ED berichten. Depression ist eine bekannte Ursache für ED, aber es gibt auch überzeugende Daten, die darauf hindeuten, dass SSRIs das ED-Risiko ebenfalls erhöhen.5 Wird die Ursache in diesem Fall korrekt ermittelt, können unnötige Änderungen der Therapie der Depression vermieden werden. Ärzte sollten eine wirksame Behandlung schwerwiegender Erkrankungen nicht gefährden, um eine vermutete medikamenteninduzierte ED zu beseitigen.1
Erstlinienbehandlung für ED
PDE-5-Hemmer
Die erste Wahl der medikamentösen Therapie der ED sind PDE-5-Hemmer. Bei oraler Einnahme entspannen sie die glatte Muskulatur des Penis und erweitern die Blutgefäße, wodurch eine Erektion eintritt. Für die zugelassenen PDE-5-Hemmer gibt es umfassende wissenschaftliche Daten, die ihre Wirksamkeit und Sicherheit bei Männern mit ED belegen.1
Die Wirkung tritt nach 15 bis 60 Minuten ein und man vermutet, dass bis zu 75 % der sexuellen Versuche nach Einnahme von PDE-5-Hemmern zum Geschlechtsverkehr führen. In der höchsten zugelassenen Dosierung verbessern sie die ED im Vergleich zur Placebobehandlung um 7–10 Punkte im IIEF-Fragebogen.6
Trotzdem geht man in den günstigsten Schätzungen davon aus, dass 25–50 % der Patienten innerhalb von 12 Monaten nicht auf die Behandlung mit PDE-5-Hemmer ansprechen. Die Werte steigen bei Patienten mit Begleiterkrankungen wie Diabetes (> 50 %) und bei Patienten mit radikaler Prostatektomie (70 %). Außerdem sind PDE-5-Hemmer bei Patienten, die Nitrate einnehmen, kontraindiziert. Bei diesen Patienten sollten alternative Behandlungsoptionen in Betracht gezogen werden.1
IIEF-Score – Was ist das?
Der IIEF-Fragebogen ist ein validierter Fragebogen, den Patienten selbst ausfüllen. Er wird in Studien verwendet, um den Schweregrad von ED bei Patienten zu messen. Typischerweise wird eine Verbesserung des IIEF-Scores um 5 Punkte als klinisch signifikant angesehen. Sie können den IIEF-Fragebogen über TRTed Toolkit hier herunterladen.
Zweitlinienbehandlungen
Intrakavernöse Injektion
Seit mehr als 20 Jahren setzen Ärzte die Injektionstherapie in den Schwellkörper in der ED-Behandlung ein und viele halten sie für die wirksamste Form der Pharmakotherapie. Unter der Voraussetzung, dass der Penis gut durchblutet ist, kann bei den meisten Männern eine Verbesserung der Erektionsfähigkeit erreicht werden. Die Erektion setzt in der Regel nach 5 bis 15 Minuten ein und kann bis zu 40 Minuten andauern. Die Injektion wird an der Seite des Penisschafts in der Nähe der Peniswurzel durchgeführt, um die Harnröhre und das dorsale neurovaskuläre Bündel zu vermeiden.1
Compliance ist ein Thema
In einer Studie mit 100 ED-Patienten, die eine intrakavernöse Injektionstherapie erhielten, brachen 50 % der Patienten die Behandlung innerhalb der ersten 2–3 Monate ab. In einer anderen Studie mit 720 Männern mit ED, die eine Penis-Selbstinjektionstherapie anwendeten, brachen 31 % die Behandlung ab.7 Zu den Hauptgründen gehörten die Therapiekosten und Probleme mit der Penisinjektion. Die Langzeit-Compliance ist in der Praxis zwar auch zu beobachten, aber das liegt nicht nur an der Methode der Selbstinjektion, sondern auch an anderen Faktoren.
Topische Creme (Alprostadil-Creme)
Alprostadil-Creme ist im Vergleich zur Injektion in den Schwellkörper eine wesentlich weniger invasive Therapie und ist für viele Patienten die bevorzugte Therapieform. In den europäischen Leitlinien wird Alprostadil-Creme sogar als Alternative für Männer empfohlen, die anstatt Injektionen eine weniger invasive Behandlungsoption bevorzugen, obwohl diese Therapieform den Nachteil hat, dass sie weniger wirksam ist.8
Alprostadil-Creme wird in die Harnröhre des Penis eingebracht, wobei eine Erektion nach 5 bis 30 Minuten nach dem Auftragen einsetzt. Die Erektion kann zwischen einer und zwei Stunden andauern.9
In einer Studie mit 142 Patienten mit schwerer ED beobachteten 83 % eine Verbesserung der Erektion im Vergleich zu 26 % in der Placebogruppe.10 NICE wertete zwei klinische Studien aus, in denen 1721 Männer mit ED nach dem Zufallsprinzip entweder Alprostadil-Creme oder ein Placebo für eine Dauer von 12 Wochen erhielten. Die Patienten, die Alprostadil-Creme bekamen, berichteten über einen Anstieg des IIEF um 2,5 Punkte und eine 15-prozentige Zunahme der erfolgreichen Geschlechtsverkehrsversuche. In einer Post-hoc-Analyse derselben Studie berichteten fast 40 % der Männer, die mit Alprostadil-Creme behandelt wurden, über klinisch signifikante Verbesserungen des IIEF (d. h. ein Anstieg > 5 Punkten).9,11
Während der 12-wöchigen Studiendauer brachen 2,7 % der Männer die Studie ab. Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen beschränkten sich auf die Anwendungsstelle und umfassten u. a. Penisbrennen und Rötungen.11
Niederintensive Stoßwellentherapie
Die Stoßwellentherapie mit niedriger Intensität ist eine relativ neue Behandlung für ED, bei der gezielt Schallwellen eingesetzt werden, um das Penisgewebe zu stimulieren und den Blutfluss zu fördern. Bislang gibt es keine Langzeitdaten, die ihren Einsatz befürworten, obwohl eine kleine Studie eine Verbesserung des IIEF-Scores um 6,7 Punkte im Vergleich zu 3,0 bei Placebo nahelegte (Unterschied zwischen den Gruppen: 3,7 Punkte).1,12 Allerdings sprachen alle Teilnehmer dieser Studie bereits erfolgreich auf die Behandlung mit PDE-5-Hemmern an. Patientengruppen, die gut auf PDE-5-Hemmer ansprechen, sind, wie bereits erwähnt, nicht repräsentativ für die Gesamtheit der ED-Patienten, da ein hoher Prozentsatz die Behandlung abbricht.12 Dennoch sind weitere Studien erforderlich, um diese vielversprechende Therapie zu untersuchen.
Vakuumgeräte
Externe Vakuumgeräte sind eine nicht chirurgische Therapieform für ED. Der äußere Zylinder des Geräts wird über den Penis gestülpt und an den Körper gedrückt, um eine luftdichte Abdichtung zu schaffen. Anschließend wird mit einer kleinen handbetriebenen Vakuumpumpe ein Unterdruck um den Penis herum erzeugt, der den Blutfluss anregt und eine Erektion erzeugt. Die Wirksamkeit von Vakuumgeräten ist hoch: Bis zu 94,6 % der Patienten sind nach einer Woche Übung in der Lage, erfolgreichen Geschlechtsverkehr haben.1,13
Psychogen bedingte ED
Eine Sexualtherapie ist für Männer mit ED sinnvoll – entweder allein oder in Verbindung mit einer Paarberatung. Da der Geschlechtsverkehr eine subjektive Erfahrung ist, überrascht es nicht, dass bei allen Paaren, die von ED betroffen sind, eine psychologische Komponente vorliegt.
Der Sexualtherapeut sollte Vorschläge zur Verbesserung des sexuellen Erlebens machen. Patienten mit ausgeprägter psychogenen Komponente der ED können von einer kognitiven Verhaltenstherapie profitieren. Ganzheitliche psychologische Methoden wie integrative kognitive, verhaltenstherapeutische, systemische, psychodynamische und interpersonelle Ansätze haben erste vielversprechende Ergebnisse gezeigt, doch es sind weitere qualitativ hochwertigere Studien erforderlich. Eine medikamentöse Therapie kann eine Psychotherapie begleiten und ist möglicherweise wirksamer als der alleinige Einsatz dieser Maßnahmen.1
Das Wichtigste in Kürze
- ED ist eine häufige Erkrankung bei Männern, und es gibt viele Behandlungsmöglichkeiten, um die Symptome zu lindern und die allgemeine Lebensqualität zu verbessern.
- Jede Behandlungsmöglichkeit hat Vor- und Nachteile, die mit einem Arzt besprochen werden sollten.
- Wenn Sie vermuten, dass Sie unter ED leiden, sollten Sie einen Arzt aufsuchen, um eine Diagnose zu erhalten.
Quellen
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